Interview

Ganztagsschule mit Herz und Hand

Weiterführende Schule          Lebensweltorientierung

Mit viel Engagement, Teamgeist und kreativen Lösungen hat Schulleiter Daniel Nicolai seine Schule zur Ganztagsschule gemacht. Im Interview spricht er über Herausforderungen, Erfolge und die nächsten Schritte auf dem Weg zu einer noch besseren Lernumgebung für die Schüler:innen.

 

Herr Nicolai, Sie haben nun schon das erste Schulhalbjahr als offizielle Ganztagsschule hinter sich. Warum haben Sie sich entschlossen, Ihre Sekundarschule zu einer Ganztagsschule zu entwickeln?

Wir sind diesen Weg gegangen, weil ich positive Erfahrungen an Ganztagsschulen gesammelt hatte. Ich war an der Thomas-Müntzer-Schule hier in Sangerhausen und zuletzt an der Anne-Frank-Schule in Hettstedt. Die sind auch beide Ganztagsschulen. Zum ersten Mal habe ich im Juni 2022 meine jetzige Schule besucht und ich habe sofort gedacht: „Hier gibt es so gute Voraussetzungen, hier können wir richtig was draus machen.“

In meinem ersten Jahr gab es schon viele Arbeitsgemeinschaften. Wir hatten Angebote von Schülern für Schüler und viele Angebote von Lehrkräften. Die Stimmung war gut. Alle hatten Lust, die Schule zu gestalten. Ich habe diese Stimmung aufgegriffen und im Kollegium motiviert. Denn ohne Team geht es natürlich nicht. Die Schulsozialarbeiterin Frau Große war von Anfang an mit dabei. Zuerst haben wir die Idee der Steuergruppe vorgestellt und dann im Gesamtkollegium. Der Aspekt der Finanzierung der Externen war dabei natürlich wichtig.

Es gab auch Vorbehalte – so in der Art: „Ist die Schule dann von früh um 6 bis abends um 6 geöffnet?“. Aber diesen Ängsten konnten wir gut begegnen und sind stolz darauf, was wir bisher schon auf die Beine gestellt haben. Im Schuljahr vor dem offiziellen Start haben wir einen Probelauf gemacht.

Wer hat Sie unterstützt?

Die Steuergruppe, die Schulsozialarbeit und der Schulelternrat sind ganz starke Unterstützer. Sehr geholfen hat mir auch die Vernetzung mit anderen Schulleitern, von deren Erfahrung ich profitieren konnte. Und unsere schulfachliche Referentin Frau Hübner steht uns immer zur Seite.

Wie haben Sie Ihre Ganztagspartner gefunden –und finden Sie immer noch?

Viele gab es tatsächlich schon. Die Schule ist sehr gut vernetzt in Sangerhausen und in der Region. Über das Netzwerk im Kollegium konnten wir Partner gewinnen, es gibt ehemalige Lehrkräfte, die uns noch regelmäßig zur Verfügung stehen. Die Volkshochschule ist auch ein verlässlicher Partner. Und zu jeder Person, die neu an die Schule kommt, sage ich: „Wenn Sie jemanden kennen, der jemanden kennt, dann …“

Die Stimmung war gut. Alle hatten Lust, die Schule zu gestalten. (…) Denn ohne Team geht es natürlich nicht.

Was waren und sind Stolpersteine?

In der Probephase haben wir Anwahlzettel verteilt und die Kinder sollten ihren gewählten Kurs ankreuzen. Das Resultat war, dass manche Kurse stark überfüllt waren und sich für andere niemand entschieden hat, z. B. für die Mathematik-Nachhilfe. Dieses Problem haben wir gelöst, indem wir jetzt Erst-, Zweit- und Drittwünsche ankreuzen lassen. Ansonsten gab es immer mal so kleinere organisatorische Dinge, die nicht sofort geklappt haben. Aber die kriegen wir auch gelöst.

Was denken Sie, welche positiven Effekte haben die Ganztagsangebote auf Ihre Schülerinnen und Schüler?

Die Angebote wirken motivierend. Durch die Vielfalt der Arbeitsgemeinschaften verbindet sich für die Schüler:innen die (Schul-)Pflicht mit etwas Schönem. Ihre Sozialkompetenz wird durch die Mischung der Jahrgangsstufen in den Arbeitsgemeinschaften gesteigert. Außerdem beginnen wir frühzeitig mit dem Thema Berufsorientierung. Die Jugendlichen erfahren, wo ihre Stärken liegen und bekommen Zeit und Gelegenheit, ihre Persönlichkeit zu entwickeln.

Übergreifende Lerneffekte ergeben sich, wenn z. B. in der AG „3D-Druck“ das Modell eines Herzens gedruckt wird und ich dieses dann in meinem Biologie-Unterricht verwende. Damit trainieren wir das räumliche Sehen, das hilft ungemein.

Welches ist Ihr nächstes Ziel?

Durch unsere bereits bestehende Leitidee „Gemeinsam leben und lernen“ und den Bedarf im Landkreis gehen wir gerade in Gespräche, unsere Schule in eine Gemeinschaftsschule umzuwandeln. Auch hier werden wieder Gespräche mit anderen Gemeinschaftsschulen geführt, Hospitationstage vereinbart, mit Eltern- und Schülervertretern diskutiert etc.

Die Angebote wirken motivierend. Durch die Vielfalt der Arbeitsgemeinschaften verbindet sich für die Schüler:innen die (Schul-)Pflicht mit etwas Schönem.

Ein wichtiger Baustein Ihrer schulischen Arbeit sind neben dem Ganztag auch die Praxislerntage. Welche Erfahrungen haben Sie bisher damit gemacht?

Wir sind die einzige Sekundarschule in Sangerhausen, die die Praxislerntage anbietet. Der Schulelternrat hatte sich das schon lange gewünscht. Seit diesem Jahr sind wir mit den 8. Klassen am Start. Wir haben durch die Praktika viele Kontakte zu Unternehmen. Die verantwortliche Lehrerin, Frau Buschendorf – eine Seiteneinsteigerin – hat ebenso ein großes Netzwerk. Das hilft uns sehr. Einige Unternehmen bieten Plätze für bis zu 6 Schüler:innen an, z. B. das Deutsche Rote Kreuz und  Helios. Da können die Jugendlichen in der Pflege, in der Küche und beim Gebäudemanagement schnuppern.

Unser Joker ist der Jugend- & Schulbauernhof im Gutshof Othal e.V. Hier ist Platz für viele Jugendliche im PLT, es werden hier die unterschiedlichsten praktischen Aufgaben gestellt. Das reicht von handwerklich-praktischen Tätigkeiten bis zu Aufgaben, die die Medienkompetenz erhöhen, z. B. dem Drehen von Videos für den YouTube – Kanal des Unternehmens.

Unser Vorteil ist natürlich, dass unsere Schüler:innen alle in Sangerhausen wohnen und es sogar direkt hier im Wohngebiet viele verschiedene Unternehmen gibt. Bei uns sind die Praxislerntage so gut angelaufen, dass einige Schüler:innen schon vor den Herbstferien ihre Ausbildungsverträge abgeschlossen hatten. Der Schulelternrat und Frau Buschendorf wünschen sich zukünftig auch die 9. Klasse im PLT.

Das klingt super. Wie organisieren Sie die Praxislerntage?

Die Schüler:innen sind in der Pflicht, sich selbst ein Unternehmen zu suchen. Da dies beim ersten Mal nicht gut geklappt hat, bekamen sie dieses Jahr den Auftrag mit einem halben Jahr Vorlauf – mit der Maßgabe, dass jede:r sich bis zu den Sommerferien einen Platz gesucht hat. Zum Halbjahr wird im Normalfall das Unternehmen gewechselt. Allerdings dürfen Schüler:innen, die genau ihr Unternehmen gefunden haben auf Nachfrage auch das ganze Schuljahr bleiben.

Wir haben das Schuljahr in A- und B-Wochen unterteilt. Alle 14 Tage in der B-Woche ist mittwochs Praxislerntag. In der A-Woche ist an diesem Tag  Wirtschaft-Technik, Hauswirtschaft, Chemie und Physik. Jede Fachlehrkraft muss, zu einem selbst gewählten Zeitpunkt, für das PLT eine Aufgabe erstellen. So gewährleisten wir, dass sich Theorie und Praxis tatsächlich verbinden. Auch wenn es einigen erst einmal schwerfiel: Für jedes Unterrichtsfach lässt sich eine sinnvolle Aufgabe erstellen, die im Rahmen des PLT gelöst werden kann. Der Zeitpunkt der Abgabe der erledigten Aufgaben wird von den jeweiligen Fachlehrern individuell festgelegt.

Geplant ist, vor den Weihnachtsferien ein Kolloquium durchzuführen, bei dem die Schüler:innen ihre Lernprodukte vor einer Jury aus Schulleitung, Fachlehrern und Schulsozialarbeit präsentieren. Dazu sollen auch die Eltern eingeladen werden. Des Weiteren sollen zukünftig die Unternehmen zum Erfahrungsaustausch in die Schulen eingeladen werden. Wir möchten so etwas wie ein Unternehmer-Frühstück anbieten.

Das hört sich nach einem richtig guten Plan an!

Herr Nicolai, ich danke Ihnen für den spannenden Einblick in Ihren Schulalltag und die Art, wie bei Ihnen der Ganztag gelebt wird. Das Team der Serviceagentur wünscht Ihnen weiterhin viel Erfolg!

 

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Kontakt

Sekundarschule „Heinrich Heine“
Otto-Nuschke-Straße 18
06526 Sangerhausen

Schulleiter: Daniel Nicolai

03464 5443389

kontakt@sks-heine-sangerhausen.bildung-lsa.de